Leben auf dem Wasser

Seit über 4 Wochen lebe ich auf dem Wasser. Mal mitten im Binnen-See, mal vor verschiedenen Küstenabschnitten zwischen Belize, Guatemala und Honduras. Ich lebe auf einem Katamaran. Ohne Waschmaschine, ohne fließendes Wasser, ohne Dusche, ohne Internet, ohne Kühlschrank und ohne jeglichen Komfort.

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Morgens schon vor dem Frühstück ist es unerträglich heiß und die Hitze steigert sich zur schweißtreibenden Schwüle, bevor der Regen abends kommt.  Ich lebe 24/7 mit jemandem zusammen, den ich vorher kaum kannte, auf engstem Raum und keiner Ausweichmöglichkeit. Kann so etwas funktionieren? Diese Frage habe ich mir lange vor meiner Abreise gestellt und viele Freunde haben mich rätselnd angeschaut, als ich von meinem Vorhaben erzählte. Und nun die Antwort? Ja 🙂  Das kann funktionieren. Alles zusammen tun, ständig und immer. Zwei verschiedene Leben zusammen gewürfelt, mittlerweile unwettererprobt auf See und teamfähig durch schwierige Tage und kleine Abenteuer.

 

Das es mir leicht fiel, kann ich wirklich nicht sagen, obwohl ich durch meine vielen Reisen weltweit als Backpacker gelernt habe ohne Komfort auszukommen und sehr verschiedene Lebensweisen kennenlernen konnte. Aber dieses hier ist etwas ganz anderes und absolut mit nichts Vorherigem in meinem Leben vergleichbar. Es ist intensiv. Und das jeden Tag neu.

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Mein tägliches Bad ist das Meer, mein Fön der Wind, meine Lieblingsecke das Netz im vorderen Teil zwischen den Kufen, welches je nach Wellengang so schön mitschwingt, das man ganz leicht in den Schlaf gewogen wird. Mein Fernsehen ist das Meer, das immer wieder anders aussieht und niemals gleich ist oder die Gewitter, die hier in den Tropen wirklich richtig heftig ausfallen und sehr lange andauern. Manchmal bebt der See von unten, der Regen prasselt kübelartig auf die Kojen und der Himmel ist taghell von vielen Blitzen. Statt ins Internet schaue ich abends in den Sternenhimmel, der hier auf dem Meer wirklich atemberaubend ist und ich habe sogar eine Sternschnuppe gesehen, die erste in meinem Leben (und natürlich habe ich mir etwas gewünscht). In den Morgenstunden wecken mich die Brüllaffen aus dem Dschungel und abends schlafe ich bei Gegrunze, Gequake und Gezirpe ein. Meistens ist es totenstill und nur die Wellen plätschern an die Bordwand, oder kleine Fische knabbern knisternd die Algen vom Boot. Die Sonnenuntergänge sind spektakulär und ich sitze abends an meinem Lieblingsplatz und schaue wie sich das letzte Tageslicht mit der Farbe des Meeres vereint, während die Geräusche aus dem Dschungel lauter werden. Ich brauche keine Schuhe mehr und nichts an Kleidung. Ich muss mir keine Gedanken um viele Dinge machen, die früher im Alltag wichtig waren. Hier ist es anders. Hier drehen sich die täglichen Fragen darum ob genug Trinkwasser an Bord ist, ob der nächste Hurrikan vorbeiziehen wird, welche Teile kaputt sind und repariert werden müssen und wie die Vorräte ohne Kühlung gelagert und in welcher Reihenfolge verbraucht werden müssen, dies zumindest solange bis wir in den nächsten Wochen zusammen einen Kühlschrank gebaut haben. Zusammen alles tun, Schweigen, Reden, Nichts tun, Pläne machen, nebeneinander und miteinander arbeiten, Absprachen treffen, sich abgrenzen und Freiraum nehmen, in Ruhe lassen und immer wieder finden, sich akzeptieren und tolerieren, zusammen stundenlang den Sternenhimmel anschauen. Vermutlich die beste und intensivste Erfahrung meines Lebens.  Ich lerne so viel über mich selbst wie nie zuvor. Ich lebe mit der Natur und dem Licht, es gibt keine Regeln und starren Muster, jeder Tag ist neu und intensiv und genau so wie er ist.

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Vor drei Wochen hatte mich bei einer Überland-Reise etwas gebissen. Der Schmerz war sofort und blitzartig und unerträglich, es fühlte sich an als ob viele hundert Volt brennender Strom durch mich hindurchging. Die Stelle schwoll schnell um ein Vielfaches an, der Schmerz steigerte sich ins Unerträgliche, mir wurde überall kalt und im Gesicht breitete sich ein taubes Gefühl aus. Da ich das Tier nicht gesehen hatte und es dunkel war, konnten wir nicht feststellen was es gewesen ist. Da wir nicht wussten ob ich ein Gegengift brauchen würde und in welchem Ausmaß sich die Symptome entwickeln würden, wurde ich liegend nachts über die Berge in ein weiter entferntes Hospital gebracht. Ich bekam drei Injektionen und sie beobachteten meinen Körper. Nach einigen Stunden konnte ich die Klinik wieder verlassen; kein weiteres Fortschreiten der Symptome mehr. Man sagte, es sei wohl ein Skorpion gewesen. Der Schmerz blieb noch eine Nacht und einen Tag, bevor er dann ganz verschwand.

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.Fotos von der Fahrt vom Lago Izabal durch den Golfete zum Meer

 

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Tiefer Dschungel am Rand des Flußes

 

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Ankern vor Livingston
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Ankern vor Puerto Barrios
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Wir erwarten Regen und fangen Wasser auf

Der Motor unseres Beibootes ist kaputt und wir müssen jedes Mal nach dem Ankern an Land rudern um Vorräte und Wasser zu besorgen. Das Ersatzteil dauert bis zum Eintreffen nach gualmaltekischer Zeit so lange wie es dauert. Es gibt keine Lebensmittelmärkte, man kann also nicht wie in Deutschland einfach mal sagen man geht einkaufen, hier ist alles schwierig zu bekommen was nicht aus Gemüse oder Obst besteht und so wird jede Einkaufstour zur langwierigen Aktion. Zwei Nachmittage war ich unterwegs um ein Duschgel kaufen zu können. Das Schwanken und Schaukeln des Bootes nehme ich gar nicht mehr wahr und auch bei 8 Knoten mit Unwetter wird mir nicht schlecht, aber anfangs, als ich an Land ging, schwankte das ganze Land für mich und mir wurde schwindelig. Erst wenn ich zurück auf dem Wasser war, passte die Welt wieder für mich. Wir müssen noch 4 Wochen die Hurrikan Saison abwarten und aussitzen, bevor es über Mexiko nach Kuba und Jamaika gehen kann.

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Leider war ich sehr krank und musste mit schwerer Kehlkopfentzündung, Asthma und akuter Luftnot täglich zweimal mit dem Boot an Land um in einer Pharmazie mit Cortison inhalieren zu können. Einen Arzt gibt es in Rio Dulce nicht und wir mussten einige Meilen ostwärts segeln um eine Stadt mit Arzt zu finden, der mich behandeln konnte.

Keine guten hygienischen Zustände

 

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.Spät abends bevor wir auslaufen zum Nachsegeln
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Fischer laufen aus zum Nachtfischen
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.Kinder kommen von den kleinen Holzdörfern angerudert und verkaufen uns Kokosnüsse
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Im Golfete kommen Kinder mit selbstgemachten Körben aus den Dörfern

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Die kleinen Buchten sind wunderschön in denen wir ankern und manchmal kommen Kinder aus dem Dschungel in Booten um selbstgemachte Körbe oder Kokosnüsse zu verkaufen. Es gibt große Schmetterlinge in den tollsten Formen und Farben, Pelikane ziehen über das Boot und abends Feldermäuse, Kolibris stehen in der Luft, bevor sie weiterfliegen und einmal habe ich abends bei einem Gewitter tatsächlich Krokodile neben dem Boot gesehen. Ein anderes Mal sah ich beim Frühstücken eine Seekuh, die auftauchte.

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Playa Blanca kurz vor Belize

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5 Kommentare zu „Leben auf dem Wasser“

  1. Liebe Nicki,
    habe geraden deinen wundervollen Reisebericht gelesen. Tut mir sehr
    leid, dass du schon mit Erkrankungen zu kämpfen hattest. Hoffentlich bleibst du jetzt geschont!! Bin schon gespannt, was noch alles von dir zu lesen ist. Bald bin ich dann auch weg. Freue mich jetzt schon, wenn wir uns dann nächstes Jahr in Augsburg wieder sehen und du mir dann von deinen Erlebnissen noch mehr berichten kannst.
    Alles Gute und Liebe – auch für deinen Segelpartner

    Anne

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  2. Ich fühle mich zurück versetzt in meine Travellerzeit durch deinen Bericht, längst vergessene Erinnerungen werden wach. Vielen Dank und dir weiterhin eine aufregend schöne Reise.

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