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Dharavi – Millionen Slum mitten in Mumbai

Slum ist nicht gleich Slum

Eine Slumtour? Soll man das machen?

Das muss wirklich jeder für sich selber entscheiden, aber mich hat es sehr interessiert wie die Menschen hier leben, weil Dharavi einer der bekanntesten Slums der Welt ist und ich schon so einige andere gesehen habe.

Es werden Führungen angeboten, bei denen 80% der Einnahmen in gemeinnützige Projekte fließen. Dadurch können Hygieneschulungen und Englischunterricht stattfinden. Die Führungen übernehmen Menschen, die in Dharavi wohnen und aufgewachsen sind.

Dharavi – eine Stadt in bester Innenstadtlage, in der ca 650 Mio Dollar pro Jahr durch Slum-eigene Produktionen umgesetzt werden. Hier leben über eine Millionen Menschen auf engstem Raum, zwar mit Strom und fließend Wasser aber ohne Toilette. Die gibt es in jedem Viertel und das Toilettenhaus muss mit mehr als 1000 anderen Menschen geteilt werden. Die Abwässer? Wo die hingehen? Durch kleine Kanäle in den Fluss Mahim, der mit den Abwässern, Chemierückständen und Müllresten dann weiterfließt.

Ich war erstaunt, wie geschäftig hier jeder rumläuft. Wie gut alles organisiert ist. Wie friedlich Muslime und Hindus im Slum Tür an Tür wohnen. Vielleicht sollte ich nur das sehen, was Touristen sehen sollen, aber ich sah arbeitssame, fleißige Menschen, die unter teilweise furchtbaren Bedingungen arbeiten. Was ich nicht sah waren Bettler, faule Menschen, die einfach nur rumliegen und Armut, die ich erwartet hatte. Die Menschen haben sicherlich wenig aber weitaus mehr als diejenigen, die auf Verkehrsinseln wohnen oder auf dem Land gar keine Möglichkeit haben Geld zu verdienen. Viele Arbeiter die umgerechnet 5 Euro am Tag verdienen, kommen von weit her, arbeiten in den engen Garagenräumen und schlafen auf Kartons, um das Geld der Familie aufs Land schicken zu können.

Die Gassen sind eng, im Sekundentakt wechseln die Gerüche. Ich kann mental gar nicht so viel verarbeiten von den Bildern und Situationen, die sich hier bieten. In dem Produktionsviertel schließt sich Raum an Raum, wo Dinge receycelt oder produziert werden. Die einzelnen Parzellen sind nur wenige Quadratmeter groß. Geschäft an Geschäft. Ich sehe Menschen in der Aluminiumverarbeitung, die ohne Schutz an den Öfen stehen. Männer, die Kartons klein rupfen und auf den großen Reißmaschinen draufsitzen um sie mit Kartonresten zu stopfen. PC-Reste, die säuberlichst nach Material getrennt werden. Kabel, die von Metall und Plastik getrennt werden mit den Füßen, den Händen und kleinen Messern. Eine Seifenproduktion, in der es so entsetzlich nach tierischen Abfällen riecht, das mir schlecht wird. Und Plastik, überall Plastik, das nach Farbe sortiert anschließend geschreddert wird und in Riesensäcken von A nach B transportiert wird. Ziegenschlachtungen mit offen liegenden Abfällen und Leder, in dessen Oberfläche ein Krokomuster oder auch jedes andere Wunsch-Leder-Muster reingestanzt wird um es dann namhaften Marken zu verkaufen, die es wiederum exportieren und sündteure Schuhe und Taschen davon herstellen. Tontöpfe und Krüge in jeder Größe, angeblich ist hier die größte Tontopf-Produktion von ganz Indien. Dazwischen Papadams, die überall getrocknet werden und landesweit verkauft werden. Kinder, die Cricket spielen. Manchmal haben die kleinen Räume keine Vorhänge und man sieht Familien, die mit 6 Personen auf 10qm leben. Die Gassen sind so eng und klein, das nur eine Person hindurch kommt. Bei Gegenverkehr muss sich einer in den Hauseingang drücken. Von oben hängen Stromkabel, Sat-Schüsseln, Wäsche oder tiefgezogene Vorbauten herab, die das Aufrecht-Gehen teilweise unmöglich machen.
Und doch will hier kaum jemand weg. Es gab mehrere Versuche, die Menschen umzusiedeln. Ohne Erfolg. Der Grund ist teuer mitten in der Stadt, aber mittlerweile wird soviel receycelt und produziert, das die Regierung es sich gar nicht leisten könnte, den Slum platt zu machen. Strom und Wasser bekommen die Menschen kostenlos zur Verfügung gestellt. Wer dort wohnt, hat meistens eine Arbeit und ein Dach über dem Kopf. Eine Umsiedlung würde einer Katastrophe gleichkommen.

Nach den drei Stunden bin ich ziemlich erschöpft, ich habe so viele Dinge gesehen, die ich gar nicht erwartet hätte. Das Wort „Slum“ wird Dharavi jedenfalls nicht gerecht. Ich habe Menschen gesehen, die in einer Gemeinschaft leben und zusammenhalten, die arbeitsam sind und fleißig, die mit dem wenigen leben und auskommen, was sie haben. Menschen, die sich jeden Tag dem Leben und Überleben tapfer aufs Neue stellen. Kinder, die durch gemeinnützige Projekte Chancen haben auf Bildung, um eines Tages vielleicht woanders hingehen zu können. Das alles hat mich sehr beeindruckt.

Vom Süden Mumbais geht es von der Station Churchgate direkt in den Norden mit dem Zug

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